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Erbrecht: Testament und Erbstreit

Einen geliebten Menschen zu verlieren ist schwer genug. Wenn dann auch noch ein Erbstreit ausbricht, driften Familien auseinander und es kann zu Erbstreitigkeiten kommen. Im Gespräch mit Marvin Wolf bei ORF konkret durfte Rechtsanwalt Dr. Johannes Öhlböck Fragen zu Erbrecht, Testament, Testierfähigkeit und Testamentsanfechtung beantworten.

Kann man ein Testament anfechten, wenn die verstorbene Person einem Handwerker oder einer Pflegerin ihr gesamtes Vermögen vermacht?

In Österreich kann man frei wählen, wem man Vermögen vererbt. Einschränkungen gibt es nur durch das Pflichtteilsrecht und die mangelnde Testierfähigkeit.Ein Testament kann aufgehoben werden, wenn der, der es geschrieben hat, geistig nicht in der Lage war, die Auswirkungen seines Handelns abzuschätzen. Anfechten können Personen, die sonst leer ausgehen würden, zB die gesetzlichen Erben sein oder Menschen, die in einem älteren Testament bedacht waren. Erfolgreich wird man nur sein, wenn man die Beeinträchtigung des Verstorbenen nachweisen kann. Beweismitteln können zB eine psychiatrische Krankengeschichte, unabhängige Zeugen oder ein Sachverständigengutachten sein.

Wir wissen, dass zum Beispiel Ehepartner einen Pflichtteil beim Erben haben. Wie sieht es bei unehelichen Kindern und nicht verheirateten langjährigen Partnern aus?

Der Pflichtteil ist jener Teil vom Erbe, über den der Erblasser nicht frei verfügen darf. Das Gesetz sieht vor, dass gewissen nahen Verwandten einen Teil zukommen muss. Diesen Teil nennt man Pflichtteil (§ 757 ABGB). Pflichtteilsberechtigt sind die Kinder sowie der Ehegatte oder eingetragene Partner. Das Erbrecht unterscheidet nicht, ob Kinder ehelich oder unehelich sind. Lebensgefährten haben keinen Anspruch auf einen Pflichtteil. Sie sind jedoch durch das gesetzliche Vorausvermächtnis geschützt (§ 745 Abs 2 ABGB). Der hinterbliebene Lebensgefährte darf ein Jahr in der Wohnung der verstorbenen Person weiterwohnen und die darin befindlichen Haushaltsgegenstände weiternutzen. Der Erblasser kann aber seinen Lebensgefährten im Testament als Erben einsetzen. Gibt es kein Testament, tritt die gesetzliche Erbfolge ein. Gesetzliche Erben sind die in nächster Linie mit dem Verstorbenen Verwandten und sein Ehegatte oder eingetragener Partner. Zur ersten Linie zählen die Kinder und ihre Nachkommen. Zur zweiten Linie gehören die Eltern und ihre Nachkommen. Zur dritten Linie gehören die Großeltern und deren Nachkommen. In vierte Linie erben die Urgroßeltern, aber nicht deren Nachkommen. Der Lebensgefährte geht – mangels Pflichtteil und Berücksichtigung im Testament – leer aus, solange es gesetzliche Erben gibt.

Was passiert, wenn die Verstorbener keine Hinterbliebenen hat? An wen wandert Erbe?

Wenn es keine gesetzlichen Erben gibt, erbt der Lebensgefährte. Dafür muss er in den letzten drei Jahren vor dem Tod im gemeinsamen Haushalt mit dem Verstorbenen gelebt hat. Gibt es keinen Lebensgefährten und keine Vermächtnisnehmer, fällt das Vermögen an den Bund.

Wie wird die sogenannte Testierfähigkeit festgestellt? Und kann diese im Nachhinein angefochten werden?

Es ist ratsam Vorkehrungen zu treffen, um eine Anfechtung eines Testamentes hintanzuhalten oder zu erschweren. Ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten, das die Testierfähigkeit belegt, ist dazu erstklassig geeignet. Wer ein Testament anfechten will, muss beweisen, dass der Erblasser nicht testierfähig war. Bei Gericht werden dazu in der Regel Sachverständigengutachten eingeholt, Zeugen gehört und die Krankengeschichte eingeholt. Solche Prozesse sind heikel: Das Ergebnis ist vorab meist nicht abschließend abschätzbar. Gleichzeitig geht es meist um erhebliche Summen, was das Prozesskostenrisiko erhöht.

Welche Tipps geben Sie zum Erstellen eines Testaments? Sollte man das selbst handschriftlich machen oder doch einen Experten heranziehen?

Beim Erstellen des Testaments sollte auf juristische Hilfe herangezogen werden, also ein Notar oder ein Rechtsanwalt. Die Rechtsprechung zu den Formvorschriften des Testaments ist streng. Man kann rasch Fehler machen, die ein Testament ungültig machen. Notar und Rechtsanwälte bewahren das Testament gut auf und tragen die Testamentserrichtung in ein Register ein, damit das Testament im Todesfall dem Gericht zukommt.

Gibt es das „absolut wasserdichte“ Testament?

Theoretisch ja, wenn man sich an alle Vorschriften hält. Praktisch passieren immer wieder Fehler. zB Ein häufiger Fehler ist, dass ein Testament mit der Maschine geschrieben und dann vom Erblasser nur eigenhändig unterschrieben wird oder bei Testamentszeugen der Hinweis auf die Zeugeneigenschaft fehlt. Auch aus diesem Grund sollte man einen Notar oder Rechtsanwalt beiziehen.

Werden die Kosten für Rechtsstreitigkeiten ums Testament in der Regel von einer Rechtsschutzversicherung übernommen?

Es gibt mehrere Rechtsschutzversicherungen, die das anbieten. Zu prüfen ist, ob Erbrecht mitversichert ist und wenn ja in welchem Umfang.

Witwe Niki Lauda: sie ist mit der Vermögensaufteilung (in diesem Fall eine Stiftung durch den Erblasser) nicht zufrieden. Welche Gründe rechtfertigen eine nachträgliche Anfechtung?

Es gelten überall dieselben Regeln. Die Witwe hat einen Pflichtteil, der ihr neben den Kindern jedenfalls zusteht. Schenkungen sind zu berücksichtigen. Mangels Aktenkenntnis kann zum konkreten Fall aber nichts gesagt werden.

Eine ältere Dame ändert im letzten Jahr vor ihrem Ableben plötzlich ihr Testament und vermacht alles dem Briefträger - hat eine Anfechtung hier Erfolg?

Maßgeblich ist der der Zustand der Dame im Zeitpunkt der Errichtung des Testaments. War sie geistig fit, ist die Änderung des Testaments völlig unproblematisch. War sie aber bereits beeinträchtig, könnte eine Anfechtung Erfolg haben.

Rechtsanwalt Erbrecht

Rechtsanwalt Dr. Johannes Öhlböck LL.M. berät und vertritt bei Rechtsfragen zu Testament und Erbrecht.