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Doping und Datenschutz: Schlussanträge Generalanwältin

Die Generalanwältin äußert sich in ihren Schlussanträgen an der EuGH zu einem Fall von Datenschutz und Doping (C-115/22) und liefert diesem einen Entscheidungsvorschlag. Danach ist die oberste Dopingbehörde als Gericht zu qualifizieren, Daten über Dopingsperren sind nicht als Gesundheitsdaten allerdings als Daten über strafrechtliche Verurteilungen zu qualifizieren. Eine Veröffentlichung ist zulässig, allerdings bedarf es einer behördlichen Aufsicht dafür.

Ausgangsfall: Veröffentlichung von Daten einer Dopingsperre in Österreich

Der Europäische Gerichtshof hat sich zu C-115/22 (Link zur Seite auf curia.eu) mit der Frage der Zulässigkeit der Veröffentlichung von Dopingdaten durch die Anti-Doping-Behörde zu beschäftigen.Eine ehemalige von Rechtsanwalt Dr. Johannes Öhlböck LL.M. vertretene österreichische Profisportlerin wurde für schuldig befunden, gegen Anti-Doping-Regeln verstoßen zu haben. Eine Verfolgung wegen Sportbetrug stellte die Staatsanwaltschaft davor schon ein. Die Österreichische Anti-Doping-Rechtskommission (ÖADR) erklärte erzielte Ergebnisse für ungültig, erkannte alle Start- und/oder Preisgelder ab und verhängte eine Sperre. Dieser Beschluss wurde von der Unabhängigen Schiedskommission (USK) bestätigt. In der Folge veröffentlichte die Unabhängige Dopingkontrolleinrichtung NADA auf einer öffentlich zugänglichen Website im Internet den Namen der Sportlerin, ihren Verstoß gegen die Anti-Doping-Regeln und den Zeitraum der Sperre in einer Tabelle.

EuGH-Vorabentscheidungsverfahren

Die Sportlerin regte eine Vorabentscheidung beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) an. Die USK stellte mehreren Fragen an den Gerichtshof und wollte ua wissen, ob die Veröffentlichung personenbezogener Daten eines gedopten Profisportlers im Internet mit der DSGVO vereinbar ist. Nach einer mehrstündigen Verhandlung in der großen Kammer des Gerichtshofes legte Generalanwältin Tamara Ćapeta ihre Sicht der Dinge in den Schlussanträgen dar (auszugsweise):

  • Die USK ist ein „Gericht“’ iSv von Art. 267 Abs. 4 AEUV. Es war zur Vorlage der Fragen verpflichtet (Rz 45).
     
  • Die DSGVO ist auf den Sachverhalt nicht anwendbar, da es derzeit keine unionsrechtlichen Vorschriften gibt, die die Anti-Doping-Politik der Mitgliedstaaten beträfen (Rz 90). In den weiteren alternativen Ausführungen beantwortet sie allerdings die Fragen der USK für den Fall, dass die DSGVO anwendbar sein sollte.
     
  • Informationen über Dopingsperren stellen keine Gesundheitsdaten im Sinne von Art 9 DSGVO dar (Rz 102).
     
  • Die Erfordernisse der Rechtmäßigkeit und Datenminimierung (Art 5 Abs 1 lit a und c und Art 6 Abs 3) der DSGVO stehen einer Veröffentlichung der Daten über eine Dopingsperre nicht entgegen (Rz 172) und die Information der Öffentlichkeit (via Internet) ist geeignet, andere Sportler von der Begehung solcher Verstöße abzuhalten (Rz 155). Sie stimmt dabei der Stellungnahme der Artikel-29-Datenschutzgruppe ausdrücklich nicht zu, die davon ausgeht, dass anonyme Veröffentlichung ausreicht (Rz 149).
     
  • Dopingsperren sind Straftaten im Sinne von Art. 10 DSGVO zu qualifizieren (Rz 113f, Rz 117). Das bedeutet, dass den Interessen der betroffenen Person bei der Abwägung, ob eine Weitergabe erfolgen soll, größeres Gewicht beizumessen ist. Die Verarbeitung muss daher unter „behördlicher“ Aufsicht oder nach nationalem oder Unionsrecht unter geeigneten Garantien für die Rechte und Freiheiten der betroffenen Personen (Rz 119). Art. 10 DSGVO ist daher auf die Verarbeitung von Daten über Dopingsperren anzuwenden (Rz 120).

Beurteilung und Ausblick

Die elf Generalanwälte unterstützen die Richter des EuGH mit ihren Schlussanträgen in ihrer Entscheidungsfindung. Der EuGH ist daran allerdings in keiner Weise nicht gebunden. Rein tatsächlich schließt er sich den Schlussanträgen allerdings in rund drei Viertel aller Fälle an. Die vorliegenden Schlussanträge sind bemerkenswert. Sie beschäftigen sich mit Grundfesten des Unionsrechtes und Fragen zur Datenschutzgrundverordnung, die weittragende Bedeutung haben. Ich erachte es für realistisch, dass der Gerichtshof der Generalanwältin nicht in allen Punkten folgt. Zentral sehe ich vor allem folgende Fragen, zu denen sich der Gerichtshof zu äußern hat:

  1. Unterliegen Rechtsfragen zu Doping im Sport der Datenschutzgrundverordnung?
  2. Sind in Österreich ausreichend Garantien, insbesondere Rechtsschutzgarantien für die Veröffentlichung von Daten über Dopingsperren vorhanden?
  3. Ist die volle Information an die Öffentlichkeit über Dopingsperren tatsächlich geboten?
  4. Ist eine Behörde vorzusehen, die damit zu betrauen ist?

Es bleibt damit spannend. Die Entscheidung des Gerichtshofes wird im Jahr 2024 erwartet.

Rechtsanwalt Sportrecht

Rechtsanwalt Dr. Johannes Öhlböck LL.M. berät und vertritt Sportlerinnen und Sportler in allen Fragen im Sportrecht.