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Nackt im Garten und Sex am Balkon: Erlaubt?

Nackt im Garten und Sex am Balkon - Ist das zulässig?

Sie ist oben ohne, oben ohne, singt Rainhard Fendrich in seinem gleichnamigen Lied aus 1982 und beschreibt darin die Hitze der Stadt und beschreibt sozialromantisch das Ausweichen der Menschen in städtischen Bädern. Nackt im Garten und Sex am Balkon: Ist das erlaubt? Darf man das und welche Rechtsfragen stellen sich?

Nackt im Garten und am Balkon

In seinen eigenen vier Wänden – dazu gehören auch Balkon und Garten – kann man grundsätzlich tun und lassen, was man will, solange man nicht gegen das Gesetz, Hausordnung oder Verträge verstößt. Nackt am Balkon oder nackt im Garten zu sein, zu liegen oder sich aufzuhalten stellt keine Straftat dar und Nacktsein am Balkon oder im Garten ist in den meisten Fällen auch keine Anstandsverletzung. Ist der Balkon oder der Garten (öffentlich) einsehbar und fühlen sich Nachbarn durch zu viel nackte Haut belästigt, könnte dies im Einzelfall zu einer Anstandsverletzung führen. Es gilt die jeweiligen Interessen abzuwägen. Konkret sin das die Interessen der Person, die im Garten oder am Balkon nackt sein möchte und jene des Nachbarn. Unter Erwachsenen wird diese Interessenabwägung zugunsten der Nacktheit ausgehen. Anders könnte das sein, wenn der betreffende Balkon bzw. Garten von einem Kinderspielplatz, Kindergarten oder einer Schule einsehbar ist. In diesem Fall könnte der Nudismus unterliegen. Das Nachbarrecht ist von mehreren Faktoren geprägt. Unter anderem vom Interessensausgleich zwischen den Nachbar, aber auch der Ortsüblichkeit und dem Maßstab dessen, was als anständig oder Unanständig beurteilt wird.

Was ist eine Anstandsverletzung?

Eine Anstandsverletzung nach der Rechtsprechung bei einem Verhalten vor, das mit den Grundsätzen der Schicklichkeit nicht im Einklang steht und einen groben Verstoß gegen die in der Öffentlichkeit zu beachtenden Pflichten darstellt. Was eine Anstandsverletzung genau ist, bestimmt sich nach der Verkehrsanschauung im gesellschaftlichen Kreise der Betroffenen. Gemeint sind Handlungen oder Leistungen, die nach der gesellschaftlichen Anschauung zwar nicht rechtlich, aber moralisch gefordert werden können, deren Unterlassung gesellschaftlich als Pflichtverletzung oder Anstandsverletzung  gilt und eine Minderung der gesellschaftlichen Achtung nach sich zieht (OGH RS0064311). Bei der Beurteilung der Verletzung ist ein objektiver Maßstab anzulegen (VwGH 85/10/0120 – „Arschloch“). Der Begriff öffentlicher Anstand ist aber insgesamt sehr vage. Zudem ist zu berücksichtigen, dass der Begriff öffentlicher Anstand einem Vorstellungs- und Wertewandel unterliegt. Das Landesverwaltungsgericht Wien (VGW-031/045/858/2019) hat sich 2019 mit der Äußerung „Oida, was willst du bitte von mir?" auseinandergesetzt.  Im Zuge einer Amtshandlung wurde ein Polizist so angesprochen. Das Gericht wertete das Wort „Oida“ nicht als Anrede, sondern als Unmutsäußerung über den Ablauf der Amtshandlung, der von der Meinungsfreiheit gedeckt war.

Wo ist die Anstandsverletzung im Gesetz geregelt?

Anstandsverletzungen (Verletzung des öffentlichen Anstandes) sind typischerweise in Landesgesetzen geregelt. In Vorarlberg heisst dieses Gesetz etwa Sittenpolizeigesetz, in Oberösterreich Oö. Polizeistrafgesetz und in Wien und der Steiermark Landes-Sicherheitsgesetz, wobei alle Gesetze teils unterschiedliche Regelungsinhalte aufweisen. Das Sittenpolizeigesetz in Vorarlberg regelt etwa neben der Wahrung des öffentlichen Anstandes auch das Öffentliche Baden, die zu verwendende Badekleidung, Bordellbewilligungen oder Ehrenkränkungen.

Anstandsverletzung vor 70 Jahren: Nackt am Balkon

In den 1950er bzw. 1960er Jahren wurden bestimmte Verhaltensweisen in unbekleidetem Zustand als Verletzung des öffentlichen Anstandes betrachtet, da diese nach dem damaligen Verständnis der Gesellschaft nicht im Einklang mit den allgemein anerkannten Grundsätzen der Schicklichkeit standen (VwSlg 3094 A/1953; VwGH 20.10.1963). So wurde zB das Sonnenbaden einer Frau ohne Bekleidung auf dem Balkon ihrer Parterrewohnung als anstandsverletzend bewertet (VwGH 20.10.1963, 30/62). Heute würden Gerichte in Österreich die Sache angesichts des Wertewandels wahrscheinlich nicht mehr so streng beurteilen.

Nackt auf der Straße 2014 - Anstandsverletzung

An einem Vormittag im Juli des Jahres 2014 hat sich ein Mann auf einer Straße im Zentrum eines Ortes in Tirol anlässlich einer Polizeikontrolle vor Polizisten und Passanten nackt ausgezogen und den Polizisten „suck my dick“ zugerufen, was nachfolgend vom Landesverwaltungsgericht festgestellt wurde (LVwG-2015/45/0867-3; LVwG-2015/45/2004-3). Für das Gericht war es mit den allgemein anerkannten Grundsätzen der Sittlichkeit unvereinbar, sich mitten am Vormittag auf einer öffentlichen Straße im Zentrum eines Ortes nackt auszuziehen und es hat in der Folge gegen diese Person eine Verwaltungsstrafe verhängt.

Sex auf dem Balkon oder im Garten

Gänzlich anders verhält es sich mit Sex im Garten oder am Balkon. Hier liegt keine Anstandsverletzung mehr vor, die verwaltungsgerichtlich zu ahnen wäre, sondern eine öffentliche geschlechtliche Handlung nach § 218 Abs 2 Strafgesetzbuch, die mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen ist. Nach dieser Bestimmung ist zu bestrafen ist, wer öffentlich und unter Umständen, unter denen sein Verhalten geeignet ist, durch unmittelbare Wahrnehmung berechtigtes Ärgernis zu erreichen, eine geschlechtliche Handlung vornimmt. Da auch die innere Tatseite vom Vorsatz erfüllt sein müssen, fallen jene Handlungen aus dem Tatbestand heraus, bei denen sich die Akteure irrig unbeobachtet glauben. Öffentlichkeit liegt vor, wenn die Handlung von einem größeren Personenkreis (10 Personen als Richtwert) wahrgenommen werden kann, wobei sukzessive Wahrnehmung (zB 10 Passanten gehen nacheinander vorbei) ausreicht. Nacktbaden, Verrichten der Notdurft oder Striptease-Vorführungen sind vom Tatbestand nicht erfasst (Philipp in WK, § 218, Rz 11). Öffentlich begangene geschlechtliche Handlungen stellen ein Offizialdelikt dar und sind von der Staatsanwaltschaft von Amts wegen zu verfolgen.