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Wiener Blut - Süddeutsche Zeitung vom 13.02.2013

Cathrin Kahlweit schlägt in einem beachtenswerten Artikel den Bogen von missbrauchten und misshandelten Heimkindern zu Malaria-Kuren an Kindern. Der am 13.02.2013 in der Süddeutschen Zeitung (Seite Drei) erschienene Artikel lässt Opfer, Historiker und jene Personen zu Wort kommen, die mit der Aufarbeitung beschäftigt sind.

Der Korrespondentin der Süddeutschen Zeitung für Mittelosteuropa ist es gelungen, die Geschichte der geknechteten Heimkinder neu zu erzählen und ihr Schicksal mit berührenden Worten auf den Punkt zu bringen:

"Etliche Kommissionen quer durchs Land befassen sich mit der Frage, wer die Quälerei zugelassen, ja, gewollt hat, und warum eine ganze Gesellschaft weggeschaut hat, wenn bis in die späten 70er-Jahre hinein Kinder ihren Familien entrissen und als verwahrlost oder verhaltensauffällig eingestuft wurden, durch ein, zwei, fünf, manchmal zehn Heime gezerrt und dort gebrochen wurden. Sie wurden dann oft erst nach vielen Jahren auf die Straße gespuckt, ohne Geld, ohne Ausbildung, ohne Kraft, wie Treibholz auf hoher See. "

Dr. Johannes Öhlböck kommt als Vertreter vieler Opfer zu Wort und zitiert exemplarisch aus Antwortschreiben die die Vertreter der Stadt Wien an seine Mandanten richten:

„Sehr geehrter Herr Kollege, Sie gründen Ihre Schadensersatzansprüche auf Ereignisse, die zwischen 1976 und 1982 stattgefunden haben sollen. Sämtliche Ansprüche sind verjährt.“

Außerdem seien alle Angaben falsch, der Grund, warum die Betroffene ins Heim eingewiesen worden sei, resultiere schließlich laut Jugendgerichtshofsbeschluss von 1977 darin, dass das Kind „in jeder Hinsicht vernachlässigt und geschädigt“ gewesen sei.

Dr. Öhlböck findet das zynisch: „Da greift man heute noch auf die Gutachten von damals zurück, auf Urteile, die schon damals willkürlich und unprofessionell waren und wegen denen die Betroffenen heute seelisch und psychisch gebrochen sind. Das darf nicht wahr sein.“

Zudem: Welcher Täter schreibt schon in den Heimakt, dass er Kinder geprügelt, eingesperrt und ihnen büschelweise die Haare ausgerissen hat und diese vergewaltigt wurden.

Dokumentationsstelle für Verbrechen an Heimkindern
Aus Sicht von Rechtsanwalt Dr. Öhlböck besteht daher Bedarf eine Dokumentationsstelle für Verbrechen an Heimkindern einzurichten, die das Recht haben sollte, Dokumente von öffentlichen Stellen einzusehen und zu prüfen und dafür mit öffentlichen Mitteln ausgestattet werden sollte. Opfer sollten bei der Einsetzung dieser Stelle und auch bei deren Betrieb beteiligt werden. Die Ergebnisse und Unterlagen der Dokumentationsstelle sollten Journalisten, Studtenten und Wissenschaftern zur Verfügung stehen. Darüber hinaus sollten ausgewählte Themen für Dissertationen und Diplom- und Masterarbeiten in den Disziplinen Sozialwissenschaft, Erziehungswissenchaft, Rechtswisschenschaft und Geschichte, vorgeschlagen werden. All dies sollte dem Zweck dienen, nicht nur die Geschichte lückenlos aufzuarbeiten, sondern auch daraus zu lernen und Vorsorge zu treffen, dass derartiges Leid am Rücken von Kindern nicht mehr passieren kann.

Und eine Sache muss auch ausgesprochen werden: Wird eine derartige Dokumentationsstelle nicht eingerichtet, besteht die Gefahr, dass sämtliche heute noch vorhandenen Akten mit Abschluss der Arbeit der Wilhelminenbergkommission vernichtet werden, sodass eine nachfolgende Aufarbeitung rein faktisch unmöglich ist.