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KFZ-Vertrieb: jahrelanger Missbrauch der Marktmacht von Peugeot

Der Oberste Gerichtshof als Kartellobergericht hat bestätigt (16 Ok 4/20d), dass Peugeot Austria die marktbeherrschende Stellung im Neuwagenvertrieb und Werkstättenbetrieb missbraucht hat. Dem Importeur wurde aufgetragen, den Missbrauch binnen 3 Monaten abzustellen. Das Urteil hat österreichweite Bedeutung für die gesamte Branche, bestätigt es doch die marktbeherrschende Stellung des Importeurs im Verhältnis zum KFZ-Betrieb (Handel und Werkstätte).

Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung durch den Importeur

Nach Ansicht des Kartellobergerichtes besteht im Neuwagenvertrieb und im Werkstättenbereich ein Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung durch den Importeur in mehreren Punkten. Im Neuwagenvertrieb betrifft der Missbrauch

  • Koppelung von Prämienzahlungen mit dem bestehenden und tatsächlich praktizierten System der Kundenzufriedenheitsumfragen;
  • Spannenreduktionen durch Vorgabe bewusst überhöhter Verkaufsziele mittels Erhöhung des Zielwerts in einem über die allgemeine Schätzung der Absatzentwicklung hinausgehenden Ausmaß trotz Herabsetzung der Verkaufsziele für Vorjahre im vertraglich vorgesehenen Sachverständigen-Schiedsverfahren;
  • Praktizierung missbräuchlich niedriger Abgabepreise am Endkundenmarktdurch im wirtschaftlichen Mehrheitseigentum des Importeurs stehende Händlerbetriebe, insbesondere wenn deren Verluste vom Importeur abgedeckt werden, während der Importeur gleichzeitig gegenüber dem Händler Preise verrechnet und Rabattkonditionen gewährt, die es dem Händler unmöglich machen, diese niedrigen Endkundenpreise einzustellen.

Im Werkstättenbetrieb liegt der Missbrauch in der

  • Verpflichtung zur Durchführung von Garantie- und Gewährleistungsarbeiten mit vom Importeur gestellten Bedingungen, insbesondere einem auch für den Händler aufwändigen Kontrollsystem, die diese Arbeiten für den Händler wirtschaftlich unrentabel machen;
  • Abwicklung von Garantie- und Gewährleistungsaufträgen mit nicht kostendeckendenStundensätzen sowie nicht kostendeckenden Refundierungen bei Ersatzteilen

Hintergrund: Oberösterreichischer Händler geht gegen Importeur vor

Basis der Entscheidung war das Vorgehen eines oberösterreichischen Peugeot-Händlers gegen den Importeur von Neufahrzeugen der Marke Peugeot. Der KFZ-Betrieb besteht seit 1992 als Händler- und Werkstättenbetrieb und ist auf Verkauf von Neu- und Gebrauchtfahrzeugen der Marken Peugeot, Citroen und Opel und die Erbringung von Werkstättendienstleistungen spezialisiert. Beim Neuwagenvertrieb entfallen bei allen drei Standorten zusammengenommen etwa 60 % auf die Marke Peugeot, 30 % auf die Marke Citroen und 10 % auf die Marke Opel. Beim Werkstattbetrieb entfallen etwa 50 % auf die Marke Peugeot, über 20 % auf die Marke Opel und der Rest auf die Marke Citroen. Der Anteil der Umsätze mit der Marke Peugeot beläuft sich im Bereich der Neuwagen auf ca 68 % und im Bereich Werkstattleistungen auf ca 60 %. Der Händler wird von seinen Kunden mit dem Namen Peugeot identifiziert. Würde der Vertrieb von Fahrzeugen dieser Marke wegfallen und müsste sie zu einer anderen Automarke wechseln, so würde sie 2/3 ihrer Kunden verlieren. Da der Händler überdies erhebliche Investitionen in die Marke Peugeot getätigt hat, wäre für sie ein Verlust von Peugeot als Vertragspartner im Neuwagenvertrieb und im Werkstättenbereich existenzbedrohend.  

Bedeutung der Entscheidung für das gesamte Vertriebsnetz von Peugeot, Citroen und Opel

Der innerhalb einer Leistungsfrist von 3 Monaten vom Importeur zu erfüllende Abstellungsauftrag des Kartellobergerichtes betrifft nicht nur den oberösterreichischen Händler sondern wurde vom Höchstgericht bewusst allgemein gefasst. Die Entscheidung hat damit Bedeutung für das gesamte Vertriebsnetz von Peugeot, Citroen und Opel und betrifft damit jeden Vertragspartner von PSA. Damit ist jeder durch den Missbrauch unmittelbar betroffeneUnternehmer zur Exekutionsführung berechtigt, falls der Missbrauch nach Ablauf der Leistungsfrist weiterhin besteht (Rz 257).

Fortschreibung der Rechtsprechung zur Marktbeherrschung durch den Importeur

Mit der Entscheidung wird auch die Rechtsprechungslinie des Höchstgerichtes zur Marktbeherrschung durch den Importeur im KFZ-Vertrieb fortgeschrieben. Nach dem Kartellgesetz (§ 4 Abs 3) gilt ein Unternehmer auch dann als marktbeherrschend, wenn er eine im Verhältnis zu seinen Abnehmern (oder Lieferanten) überragende Marktstellung hat. Dieser Beherrschungstatbestand stellt auf eine außergewöhnliche Gewichtsverteilung bei Geschäftsbeziehungen im Vertikalverhältnis ab. Die Frage, ob eine beherrschende Stellung vorliegt, wird durch die Analyse der Geschäftsbeziehung mit bestimmten Unternehmern der Marktgegenseite beantwortet. In dieser Bestimmung wird eine relative Marktbeherrschung festgelegt, die auf die Aufrechterhaltung der Geschäftsbeziehungen abstellt. Eine solche liegt insbesondere dann vor, wenn die Abnehmer zur Vermeidung schwerwiegender betriebswirtschaftlicher Nachteile auf die Aufrechterhaltung der Geschäftsbeziehung angewiesen sind. Das kann etwa dadurch begründet sein, dass ein Handelsunternehmer von der Belieferung mit einem bestimmten Warensortiment abhängig ist. Entscheidend ist, ob Ausweichmöglichkeiten in Form alternativer Absatz- oder Bezugsmöglichkeiten zu wirtschaftlich vertretbaren Bedingungen bestehen. Fehlt es an dieser Voraussetzung, besteht – unabhängig von einer allfälligen allgemeinen Marktmacht des Unternehmers – relative Marktmacht iSd § 4 Abs 3 KartG. Dabei ist zu prüfen, in welchem Umfang der Vertragshändler Fahrzeuge anderer Hersteller vertreibt und ob er zur Vermeidung schwerwiegender betriebswirtschaftlicher Nachteile auf die Aufrechterhaltung der Geschäftsbeziehung angewiesen ist. Entscheidend ist ob der Abnehmer auf dem geografisch relevanten Produktmarkt alternative Absatz- oder Bezugsmöglichkeiten hat oder ob er auf die Aufrechterhaltung der Geschäftsbeziehung (im Neuwagenhandel und in der Werkstätte) angewiesen ist (Rz 152ff). Schwerwiegende betriebswirtschaftliche Nachteile liegen nicht nur dann vor, wenn die Existenz des Unternehmers bedroht ist, sondern auch, wenn es zu massiven Umsatzeinbußen oder zum Verlust eines erheblichen Teils der Kundschaft kommt, weil der Händler von der Belieferung mit einem bestimmten Warensortiment abhängig ist (Rz 162). Im konkreten Fall bejahte das Kartellobergericht das Vorliegen schwerwiegender betriebswirtschaftlicher Nachteile und begründete dies damit, dass der Händler 68 % des Gesamtumsatzes mit der betreffenden Marke macht (bei etwa 2/3 Kundenanteil ohne Bereitschaft, die Fahrzeugmarke zu wechseln). Im Werkstättenbereich lag der betroffene Umsatzanteil ca 60 %, sodass in beiden Bereichen der Verlust des Vertrags mit Peugeot existenzbedrohend wäre (Rz 163).

Fazit – Bedeutung für den KFZ-Vertrieb in ganz Österreich

Die Entscheidung hat darüber hinaus Bedeutung für den KFZ-Vertrieb in ganz Österreich, zumal die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur marktbeherrschenden Stellung des Importeurs im Verhältnis zum Händler / Servicebetrieb fortgeschrieben wird. Gemessen an der Entscheidung wurden den betroffenen Peugeot-Händlernjahrelang missbräuchlich Vergütungenvorenthalten, der Geltendmachung zu prüfen ist.

Rechtsanwalt KFZ-Vertriebsrecht

Rechtsanwalt Dr. Johannes Öhlböck LL.M. ist im KFZ-Vertriebsrecht tätig und vertritt im Streitfall vor Gericht und Behörden ausschließlich Händler und Händlerverbände gegenüber Importeuren.