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Malariatherapie an Klinik Hoff in Wien aus Sicht der Opfer

Malariatherapie Wien, Untersuchungskommission, Sicht der Opfer

Der Vorsitzende der Historikerkommission teilte in einer Pressekonferenz mit, dass die Malariatherapie an der Wiener Klinik Hoff zwar ein Sonderfall, aber zulässig war. Das Ergebnis ist umstritten. Die von Rechtsanwalt Dr. Johannes Öhlböck vertretenen Opfer – die in keiner Weise eingebunden waren – üben detaillierte Kritik.

Kommissionsmitglieder kritisieren Ergebnis der eigenen Kommission

Die Kommission kommt zum Schluss, dass es Heimkinder nicht betroffen waren und es Hinweise gäbe, dass die Erhaltung des Malaria-Stammes im Vordergrund stand. Insgesamt sei die Therapie aber zulässig gewesen. Elisabeth Brainin (Psychiaterin und Ex-Kommissionsbeirat) widerspricht im Ö1-Interview und spricht von „Weißwaschen von Dingen, die eigentlich nicht in Ordnung waren“. Sie übt Kritik, dass Opfer nicht befragt wurden und ist aus Protest aus dem Beirat ausgetreten. Diese Kritik teilten auch Mitarbeitern des Leiters der Historikerkommission. Auch Michael Hubenstorf (Kommissionsbeirat) ist mit dem Ergebnis nicht einverstanden: „Ein Teil der Historiker in dieser Kommission wird das vielleicht unterschreiben, ein anderer Teil aber ganz und gar nicht.“

Befangenheit des Leiters der Untersuchungskommission?

Gernot Heiss wurde mit der Leitung der Untersuchungskommission betraut, deren Ergebnis nunmehr im Rahmen einer Pressekonfernz bekannt gegeben wurde. Nach Recherchen von Nina Brnada von Wiener Stadtzeitung Falter (Ausgabe 27/15, Seite 17, vgl Ausschnitt) wurde bekannt, dass der Bruder von Heiss in den den letzten Jahren des Untersuchungszeitraums als Arzt an der Universitätsklinik für Psychiatrie tätig war, also an jenem Ort, dessen Geschichte sein Bruder rund 50 Jahre später erforschen sollte. Wäre die Kommission ein Zivilprozess, läge nach Ansicht von Rechtsanwalt Dr. Johannes Öhlböck LL.M. ein Ablehnungsgrund vor, kann doch nach § 19 JN ein Richter abgelehnt werden, wenn ein zureichender Grund vorliegt, seine Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen. Im Interesse des Ansehens der Justiz ist bei der Beurteilung, ob in Gerichtsverfahren Befangenheit vorliegt, ein strenger Maßstab anzuwenden. Dabei reicht der Anschein der Befangenheit. Für die Kommission Heiss gelten diese Regeln freilich nicht. Es bleibt allerdings ein Beigeschmack, der die Ergebnisse der Kommission in einem gänzlich anderen Licht erscheinen lässt.

Kritik der Opfer im Detail

Rechtsanwalt Dr. Johannes Öhlböck hat namens der von ihm vertretenen 15 Opfer mehrfach um ein Gespräch mit der Kommission gebeten. Die Opfer hätten gerne über ihre Erlebnisse an der Klinik Hoff berichtet. Die Kommission hat das klar abgelehnt. Aus Sicht der Opfer hätte eine Historikerkommission, der daran gelegen ist, die Wahrheit ans Licht zu bringen, im Sinne einer Objektivierung vorhandener Dokumente unweigerlich mit Zeitzeugen sprechen müssen. Dazu zählen nicht nur die Opfer, sondern auch die an den Behandlungen beteiligten Ärzte, Schwestern, Pfleger oder die interne pharmazeutische Abteilung. Die Ablehnung von Gesprächen stößt bei meinen Mandanten auf großes Unverständnis.

Die Kommission hat den Opfern keine Stimme gegeben. Zum Untersuchungsergebnis, von dem sie nur medial Kenntnis erlangt haben, äußerten sie folgendes:

  •  „Ich bin mit dem Ergebnis nicht zufrieden. Warum hat man nicht versucht, mit uns zu sprechen. Ich habe das nicht verstanden. Wieso kann man zu dem Ergebnis kommen, dass das Ende der 1960er Jahre noch zulässig war? Das Ganze  ist fragwürdig.“ (Opfer, kam aus dem Lehrlingsheim in die Klinik)
  • „Wir wurden nicht gefragt. Ich weiss bis heute nicht, was die mit mir gemacht haben. Ich bin bis heute müde und es haut mich immer wieder zusammen. Ich bin davon überzeugt, dass das mit der Klinik Hoff zusammenhängt. Das zieht sich jetzt schon seit der Heimzeit. Wir wurden in Gitterbetten eingesperrt und niedergespritzt. Ich habe bis heute Angstzustände. Ich muss das irgendwie verdrängen, sonst werde ich verrückt. Es glaubt mir bis heute niemand, was ich dort mitgemacht habe“.  (Opfer das von der Klinik Hoff ins Kinderheim Hohe Warte kam)
  • „Ich bin mit dem Ergebnis der Kommission nicht einverstanden.“ (Mann der mit 23 Jahren in der Klinik Hoff 7 Tage in ein Gitterbett gesperrt und mit Malaria infiziert wurde)
  • „Aus meiner Sicht sind die Dinge damals komplett aus dem Ruder gelaufen. Da war Absicht und Vorsatz dahinter. Mich ärgert, dass man Menschen, die das hautnah erlebt haben, nicht gefragt hat. Ich habe mich persönlich bei der Kommission gemeldet und wollte sogar Unterlagen mitnehmen. Diese Konfrontation hat man sofort abgeblockt. Menschen, die damals auf einem so hohen Bildungs- und Wissensstand waren, sind offenbar auch heute noch unantastbar.“  (Mann der mehrere Monate auf der Klinik Hoff zubrachte und mit Malaria infiziert wurde)
  • „Das Ergebnis der Kommission stimmt nicht. Die wollen nichts zahlen. Wir haben sehr darunter gelitten. Die wollen sich nur drücken. Das alles ist furchtbar.“ (Mann der mit 8 Jahren mit Malaria infiziert wurde und bis heute Fieberschübe hat)
  • „Wie können drei Personen 90.000 Akte lesen. Da kann man nicht richtig geprüft haben. Ich wäre der Kommission zur Befragung zur Verfügung gestanden. Der zuständige Stadtrat sollte sich für seine Vorgänger entschuldigen. Ich bin bis heute in psychologischer Betreuung. Die wollen sich alle abputzen.“ (Mann; von 1949 bis 1966 in Kinderheimen der Stadt Wien; wurde von Dr. Spiel, Dr. Groß und Dr. Hoff behandelt)
  • „Das war damals sicher nicht erlaubt, das an gesunden Menschen zu vollziehen. Wir waren ja nicht krank. Man hat einfach Pseudokrankheiten diagnostiziert, damit man das machen kann. Eine junge Ärztin sagte mir damals, dass das mit Malaria ein Test war. Wir waren Jugendliche, die sich nicht wehren konnten, bei denen nur die Fürsorge das Reden hatte. Ich bin mit dem Ergebnis nicht einverstanden. Wieso durfte man das in den 60er Jahren noch? Ich bin entsetzt.“ (aus dem Kinderheim davongelaufen ist und dann in die Klinik Hoff gebracht)
  • „Die Nichteinbindung der Betroffenen war nicht in Ordnung. Ziel war offenbar Schadenersatzansprüche hintanzuhalten. Wenn das nur in Wien geschehen ist, kann das nicht lege artis gewesen sein. Da wäre die ganze andere Welt blöd."(Mann, der 1968/1969 mit Malaria infiziert und mit Elektroschocks therapiert wurde)
  • „Mein Eindruck damals war, dass das keine Therapie war, sondern man das alles zu Versuchszwecken unternommen hat. Ich hatte auch den Eindruck, dass das damals eine Art von Ruhigstellung war. Man wusste nicht, was man mit den Menschen machen sollte, deshalb hat man eben irgendwas gemacht.“ (Mann der 1965/1966 in der Klinik Hoff war und mit Malaria infiziert wurde)

Bewertung

Aus meiner Sicht ist diese Kritik aus Sicht der Opfer berechtigt. Ein Großteil der Opfer lebt noch. Sie alle haben eine sehr konkrete Erinnerung. Man wollte die Opfer nicht hören und hat sie daher nicht gehört. Aufarbeitung kann nicht nur aufgrund von Akten erfolgen, die von Tätern geschrieben wurden. Der Oral History wurde keine Bedeutung beigemessen. Der Rektor der MedUni Wien hat Entschädigungszahlungen nicht ausgeschlossen. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Die Kritik der Kommissionsmitglieder belegt, dass das Untersuchungsergebnis auf wackeligen Beinen steht. Die Opfer erwarten, dass sie persönlich vom Ergebnis informiert werden und Ihnen dargelegt wird, welche Auswirkungen es auf ihren Fall zeitigt.