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Fall Teichtmeister: Nur die Spitze des Eisbergs?

Florian Teichtmeister wird der Besitz von 58.000 Dateien mit pornographischen Darstellungen Minderjähriger vorgeworfen. Die Hauptverhandlung in der Strafsache wurde wegen seiner Erkrankung vertagt. In Talk im Hangar 7 (Moderation Michael Fleischhacker) bei Servus TV wurde am 09.02.2023 darüber diskutiert, ob sein Fall nur die Spitze des Eisberges ist. Rechtsanwalt Dr. Johannes Öhlböck nahm daran als Vertreter von Opfern teil.

Talk im Hangar 7

In Talk im Hangar 7 (Moderation Michael Fleischhacker) bei ServusTV wurde am 09.02.2023 darüber diskutiert, ob der Fall von Florian Teichtmeister nur die Spitze des Eisberges ist. Als Opfervertreter diskutierten unter der Leitung von Michael Fleischhacker Gabriele Rothuber, Dr. Astrid Wagner, Carsten Stahl und Alexander Haydn und Dr. Johannes Öhlböck. Die Sendung ist nachzusehen unter https://www.servustv.com/aktuelles/v/aacplim3pwv48xgzulhw/

Vorwurf der Staatsanwaltschaft

Florian Teichtmeister soll sich von Februar 2008 bis zum Sommer 2021 insgesamt 58.000 Dateien mit einschlägigem Material verschafft und auf 22 Datenträgern abgespeichert haben. Zwei Smartphones, zwei Laptops, ein Desktop, drei externe Festplatten, ein USB-Stick und drei Speicherkarten wurden sichergestellt und ausgewertet. Aufgrund des Besitzes von umfangreichem Material mit bildlichen Darstellungen von Kindesmissbrauch wird ihm das Delikt „Pornographische Darstellungen Minderjähriger“ (§207a Abs 2 StGB) vorgeworfen. Ihm drohen bei einer Verurteilung bis zu zwei Jahre Haft. Teichtmeister hat angekündigt, dass er sich schuldig bekennen wird. Es gibt jedoch keinen Verdacht, dass Teichtmeister direkten Kindesmissbrauch begangen oder ein Unrecht durch Weitergabe von Missbrauchsmaterial gesetzt habe. In solchen Fällen wäre die Strafdrohung deutlich höher als bei bloßem Besitz.

Staatsakt "Geste der Verantwortung"

Am 17.11.2016 stand der Staatsakt "Geste der Verantwortung" im Zeichen von Demut und der Bitte um Entschuldigung. Im Historischen Sitzungssaal waren neben den VertreterInnen des offiziellen Österreichs und der Kirche rund 300 Betroffene anwesend, die mit ihrem individuellen Leid und ihren sehr unterschiedlichen Erfahrungen im Mittelpunkt standen. Als Vertreter von Opfern hat Dr. Johannes Öhlböck schon 2011 (https://www.raoe.at/news/gedenkkundgebung-der-betroffenen-der-kirchlichen-und-staatlichen-befuersorgung/) eine Entschuldigung auf Augenhöhe für das gefordert, was Heimkindern angetan wurde. Dargestellt wurde das ganze Ausmaß des geschehenen Unrechts durch künstlerische Verdichtung. Texte von Betroffenen sowie Forschungs- und Kommissionsberichte waren die Grundlage dafür. Die Texte wurden von Schauspielerinnen und Schauspielern gelesen. Es ging darin unter anderem um Vernachlässigung, schweren Missbrauch, um Züchtigung und offenen Sadismus, um sexuelle Nötigung und Vergewaltigung. Einer der Schauspieler, der die Texte gesprochen hat, war Florian Teichtmeister. Die Sitzung im historischen Sitzungssaal kann über das stenographische Protokoll nachgelesen werden: https://www.parlament.gv.at/dokument/XXV/VER/27/fnameorig_755273.html

Strafdrohungen ähnlicher Delikte

  • § 207a StGB
    • Abs 1 : Herstellung oder Weitergabe von Kinderpornografie: FS bis zu 3J
    • Abs 2: Herstellung oder Weitergabe „zum Zweck der Verbreitung“: FS 6M – 5J
    • Diverse Qualifikationen (kriminelle Vereinigung, schwerer Nachteil, Gewalt): FS 1J – 10J
    • Abs 3: Besitz von Kinderpornografie: FS bis zu 2J
    • Abs 3a: Wissentlicher Zugriff auf Kinderpornografie über das Internet: FS bis zu 2J
  • Zum Vergleich:
    • § 201 Abs 1 StGB (Vergewaltigung) ist als Grunddelikt mit FS von 2J – 10J bedroht.
    • § 206 Abs 1 StGB (Schwerer Sexueller Missbrauch von Unmündigen) ist als Grunddelikt mit FS von 1J – 10J bedroht.

Verjährung strafrechtlich (§ 57 StGB)

§ 207a Abs 3 StGB (Besitz von Kinderpornografie) ist mit bis zu 2 Jahren Haftstrafe bedroht. Die Verjährungsfrist beträgt demnach 5 Jahre (für alle Delikte mit maximaler Strafdrohung zwischen 1-5J). Nur die Qualifikationen des Abs 2 verjähren erst nach 10 Jahren.

Verjährung zivilrechtlich

Gemäß § 1489 zweiter Satz ABGB verjährt ein Schaden aus einer oder mehreren gerichtlich strafbaren Handlungen, die nur vorsätzlich begangen werden können und mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht sind nach dreißig Jahren. Diese Frist beginnt gemäß § 1494 Abs 2 ABGB erst mit Volljährigkeit des Geschädigten zu laufen. Die zivilrechtliche Verjährung tritt „erst“ 30 Jahre nach Volljährigkeit der Opfer ein. Im vorliegenden Fall wäre zivilrechtlich zu prüfen, welcher Schaden Teichtmeister als Besitzer der Kinderpornografie zugerechnet werden kann. Als Vertreter von Opfern setzt sich Rechtsanwalt Dr. Johannes Öhlböck seit Jahren dafür ein, dass die die Ansprüche auf Schadenersatz von Opfern gegen ihre Mißbrauchstäter bzw gegenüber verantwortlichen Stellen (Amtshaftung) nicht verjähren, solange das Opfer lebt (https://www.raoe.at/news/keine-verjaehrung-bei-sexuellem-missbrauch-minderjaehriger/).

Maßnahmenpaket zum Schutz von Kindern

Die Bundesregierung hat am 25.01.2023 ein „Maßnahmenpakt zum Schutz von Kindern“ vorgestellt. Geplant ist unter anderem

  1. ein Gütesiegel für Einrichtungen, die ein Kinderschutzkonzept nach internationalen Standards befolgen,
  2. mehr finanzielle Mittel für Opferhilfe,
  3. eine Aufstockung der ermittelnden Kriminaldienststellen im Bereich Kindesmissbrauch und
  4. eine deutliche Verschärfung der Strafen.

Anzuraten wäre, auch die Mittel für Täterarbeit aufzustocken.

Statistik der Verurteilungen wegen Sexualdelikten

Die Kriminalstatistik der Statistik Austria weist aus, dass die Verurteilungen wegen Sexualdelikten sich seit 2010 grundsätzlich gleichmäßig entwickelt haben. Nur die Verurteilungen wegen § 207a StGB sind seit 2014 stetig gestiegen. Sie haben sich in fünf Jahren (2016 bis 2021) verdreifacht. Erklärungen dazu liegen nicht vor. Erklärungsansätze liegen in einem starken Wachstum dieser (Internet-)Kriminalität, besseren Mitteln oder Methoden der Ermittlungsbehörden oder einer verstärkten Wahrnehmung bzw Bereitschaft der Öffentlichkeit zur Anzeige. Der Anstieg ist jedenfalls außergewöhnlich.