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Bewertungen - Übersicht Rechtsprechung 2025

Einschätzungen zu Bewertungen vom Rechtsanwalt und Urteil aus 2025 Anwalt - Rezensionen Google

negative Bewertungen löschen (Google, kununu, ...)

Kein Jahr vergeht ohne neue Entscheidungen zum Thema Bewertungen, sodass in diesem Artikel eine kurze Übersicht zum Thema Anspruchsgrundlagen, Rechtsprechung und Vorgehen im Zusammenhang mit negativen Bewertungen / Rezensionen gegeben wird. Rechtsanwalt Dr. Johannes Öhlböck LL.M. berät und vertritt im Zusammenhang zu Fragen zum Löschen von Bewertungen auf Google, docfinder, kununu, booking.com, ...

§ 1330 ABGB als "Generalnorm"

Zentrale Anspruchsgrundlage für Vorgehen gegen Bewertungen ist § 1330 ABGB. Die Bestimmung lautet wie folgt:

§ 1330. 
(1) Wenn jemandem durch Ehrenbeleidigung ein wirklicher Schade oder Entgang des Gewinnes verursacht worden ist, so ist er berechtigt, den Ersatz zu fordern.
(2) Dies gilt auch, wenn jemand Tatsachen verbreitet, die den Kredit, den Erwerb oder das Fortkommen eines anderen gefährden und deren Unwahrheit er kannte oder kennen mußte. In diesem Falle kann auch der Widerruf und die Veröffentlichung desselben verlangt werden. Für eine nicht öffentlich vorgebrachte Mitteilung, deren Unwahrheit der Mitteilende nicht kennt, haftet er nicht, wenn er oder der Empfänger der Mitteilung an ihr ein berechtigtes Interesse hatte.

 § 1330 ABGB schützt die Ehre in zwei unterschiedlichen Tatbeständen: Abs 1 sanktioniert Ehrenbeleidigungen; Abs 2 (Rufschädigung) schützt schützt den wirtschaftlichen Ruf, der durch die Verbreitung unwahrer Tatsachen gefährdet wird. Schutzobjekt des Abs 1 ist die zu den absoluten Rechten zählende Personenwürde, dh der Anspruch auf achtungsvolle Behandlung durch andere. Abs 2 umfasst den wirtschaftlichen Ruf, der durch die Verbreitung unwahrer Tatsachen gefährdet wird. Werturteile werden von Abs 2 nicht erfasst.

Werturteil oder Tatsachenbehauptung

Ob ein Werturteil oder eine Tatsachenbehauptung vorliegt, ist eine Rechtsfrage. Werturteile sind Ausdruck der subjektiven Meinung. Ein Werturteil macht aus, dass es keinem Wahrheitsbeweis zugänglich sind. Tatsachen sind demgegenüber Umstände, Ereignisse oder Eigenschaften mit einem greifbaren, für das Publikum erkennbaren und anhand bekannter oder zu ermittelnder Umstände auf seine Richtigkeit nachprüfbaren Inhalt (RS0032212). Darin liegt der Unterschied gegenüber einem bloßen Werturteil, das aufgrund einer gedanklichen Reflexion gewonnen wird und nur die subjektive Meinung des Erklärenden wiedergibt (RS0032212). Entscheidend für die Qualifikation einer Äußerung als Tatsachenbehauptung ist daher, ob sich ihr Bedeutungsinhalt auf einen Tatsachenkern zurückführen lässt, der einem Beweis zugänglich ist, sodass sie als richtig oder falsch beurteilt werden kann.

Interessenabwägung

Die Beurteilung, ob ein Eingriff in den wirtschaftlichen Ruf und die persönliche Ehre einer Person nach § 1330 ABGB rechtswidrig ist, bedarf einer umfassenden Interessenabwägung (RS0008987). An der Verbreitung unwahrer rufschädigender Tatsachenbehauptungen (RS0008987, RS0107915) oder von Wertungsexzessen (RS0054817) besteht kein von der Meinungsäußerungsfreiheit gedecktes Interesse.

Bewertungsbasis: tasächliche bzw eigene Erlebnisse

Direkter Kundenkontakt ist zwar keine zwingende Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit einer Bewertung. Allerdings müssen sich Bewertungen auf "tatsächliche bzw eigene Erlebnisse" zu dem zu bewertenden Unternehmen beziehen. Den Bewertungen von Nicht-Kunden müssen „sachbezogene Erfahrungen“ zugrunde liegen (Danzl in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB Klang-Kommentar, § 1330, Rz 136). 

Anonyme oder pseudonyme Bewertung

Anoyme und pseudonyme Bewertungen sind zulässig (RS0008998). Das Recht auf Namensanonymität leitet sich aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht ab (RS0008998). Mit der anonymen Verfassung der Bewertung geht keine Vermutung der Rechtsverletzung einher. Es ist allerdings ein strenger Maßstab notwendig, um die Insultierung von Personen unter dem (vermeintlichen) Deckmantel der Anonymität zu unterbinden (6 Ob 188/16i sowie 6 Ob 133/13x). 

Handlungspflichten des Diensteanbieters

Ein über (angebliche) Rechtsverletzungen informierter Diensteanbieter (Host-Provider) kann (nur) dann auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wenn die beanstandeten Inhalte als Rechtsverletzungen zu qualifizieren sind, die auch für einen juristischen Laien ohne weitere Nachforschungen offenkundig sind, also die Rechtswidrigkeit für den Anbieter wie für jedermann leicht erkennbar ist (Dokalik/Zemann, Urheberrecht; § 16 ECG, E 3, mwN; siehe nunmehr auch Art 6 Abs 1 DSA). In einem solchen Fall ist es dem Host-Provider auch zumutbar, Maßnahmen zur Verhinderung einer Fortsetzung der Rechtsverletzung vorzunehmen (RS0114374; vgl 6 Ob 116/17b ua). Aus § 16 Abs 1 Z 2 ECG ergibt sich die Verpflichtung des Host-Providers, bei Bekanntwerden offensichtlich rechtswidriger Inhalte die entsprechenden Beiträge zu entfernen, andernfalls er auch auf Unterlassung in Anspruch genommen werden kann; es kommt insofern lediglich darauf an, ob der Betreiber seiner Verpflichtung zur Entfernung im Sinn des § 16 Abs 1 Z 2 ECG nachkommt (6 Ob 188/16i).

Vorwurf von Profitgier und Verstoß gegen ärztliche Ethik (OLG Wien, 15 R 125/24y)

Einem Hautarzt im Burgenland wurde in einer Bewertung vorgeworfen

„Wieder ein Privatarzt im Burgenland. Es ist schön langsam ein Armutszeugnis wie wenig Krankenkasseärzte es hier in der Nähe, kaum welche gibt. Ärzte die nur für Reiche leistbar sind, das widerspricht dem medizinischen hypokratischen Eid“. Zuletzt wird ausgeführt, dass „1 Stern berechtigt“ sei, “kein Verständnis mehr für profitgierige Fachärzte“.

Das OLG Wien (05.02.2025, 15 R 125/24y) sah darin, dass dem Arzt unterstellt wird, dass er seine berufliche Tätigkeit (als Wahlarzt) der ärztlichen Ethik widersprechend ausübe und profitgierig sei. Durch den Konnex mit der Ein-Stern-Bewertung - die sich auf den Kläger und auf dessen Wahlarzttätigkeit bezieht – geht die Beurteilung in ihrer Gesamtheit eindeutig über eine allgemeine Kritik an den am Markt der Privatärzte herrschenden Preisverhältnissen hinaus. Der Vorwurf der Profitgier und des Verstoßes gegen die ärztliche Ethik richtet sich konkret gegen den Kläger, mag die Kritik auch darüber hinaus auf „Privat“ärzte im Allgemeinen gemünzt sein. Diese Vorwürfe gegen den Kläger verletzten dessen Ehre und seinen Ruf als Arzt. Dies betrifft den Kernbereich seiner Persönlichkeitsrechte und ist weder einer Interessenabwägung zugänglich, noch einem Wahrheitsbeweis. Die ehrverletzende Bezeichnung als „profitgierig“ stellt eine wertende Kritik dar, der die Basis eines konkreten und wahren Sachverhalts fehlt. Sie unterliegt als Beschimpfung dem Tatbild des § 1330 Abs 1 ABGB.

Anonyme Sternebewertung ohne Textkommentar (OGH, 6 Ob 120/23z)

Eine Rechtsanwaltskanzlei wurde auf Google von einem Nutzer mit nur einem Stern – ohne Textkommentar – bewertet. Der OGH hielt dazu fest:

„Ein-Stern-Bewertungen“ohne Textkommentar sind rein subjektive, nicht überprüfbare Werturteile, die nur je nach der persönlichen Überzeugung des Bewertenden falsch oder richtig sein können und damit auch bloß die erkennbar subjektive Meinung des Äußernden wiedergeben. Beleidigungen iSd § 1330 Abs 1 ABGB sind (reine) durch bloße Punkte- oder Sternebewertungen von vornherein ausgeschlossen.

 § 20 Abs 3 ABGB sieht eine Abmahnung des Hostproviders als zusätzliche materiell-rechtliche Anspruchsvoraussetzung des Unterlassunganspruchs mit dem Zweck vor, die erforderliche Kenntnis des Providers von der rechtswidrigen Information herzustellen, um ihm die Möglichkeit zu geben, den Inhalt unverzüglich zu entfernen. Reagiert der Diensteanbieter auf eine solche Mitteilung nicht, kann gerichtlich gegen ihn vorgegangen werden. Das Unterbleiben der Entfernung des beanstandeten Inhalts alleine führt nicht zu einem Unterlassungsanspruch gegen den Vermittler. In allen Fällen ist erforderlich, dass die beanstandete Äußerung des unmittelbaren Täters eine Persönlichkeitsrechtsverletzung darstellt 

Die Beweislast für das Fehlen eines für die Bewertung relevanten Kontakts mit dem Bewertenden, trifft den Kläger (BGH VI ZR 34/15 Rn 46)

Ärztekammer Wien + Augenärztin vs docfinder (OGH, 6 Ob 198/21t)

Ein Arztbewertungsportal fällt in den Schutzbereich des Rechts auf freie Meinungsäußerung und erfüllt einen von der Rechtsordnung grundsätzlich gebilligten Zweck und der Portalbetreiber nimmt eigene berechtigte Interessen aber auch berechtigte Nutzerinteressen wahr, weil er die Abgabe, Verbreitung und Kenntnisnahme von Meinung ermöglicht. Die Gefahren von Mißbrauch für die Persönlichkeitsrechte der Ärzte sind in die Interessenabwägung einzubeziehen

Die Bewertungen können die Arztwahl beeinflussen und sich auf den Wettbewerb auswirken und sogar die berufliche Existenz des Bewerteten gefährden. Neben dem geschützten Eigeninteresse besteht ein erhebliches Interesse der Öffentlichkeit. Ein Bewertungsportal ist geeignet, zu mehr Leistungstransparenz im Gesundheitswesen beizutragen. 

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht vermittelt kein Recht, in der Öffentlichkeit so dargestellt zu werden, wie es dem eigenen Selbstbild und der beabsichtigten öffentlichen Wirkung entspricht.

In seinem beruflichen Bereich muss sich der Selbständige auf die Beobachtung seines Verhaltens durch die breitere Öffentlichkeit und auf Kritik an seinen Leistungen einstellen. Die Gefahr schlechter Bewertungen ist grundsätzlich hinzunehmen, weil jede Beurteilung inhaltsleer würde, wenn schlechte Bewertungen bereits per se beanstandet werden könnten.

Es ist nicht ausgeschlossen, dass das Portal dazu missbraucht wird, kreditschädigende oder beleidigende Aussagen bezüglich eines Arztes zu verbreiten, insbesondere aufgrund der den Nutzern eingeräumten Möglichkeit, zu den Punktebewertungen Erfahrungsberichte zu schreiben. 

Bloße Punktebewertungen stellen keine Tatsachenbehauptungen, sondern Werturteile dar, weil die subjektive Einordnung auf einer Skala von null bis fünf Punkten nicht objektiv auf ihre Richtigkeit überprüft werden kann. 

Unsachliche Motivationslagen einzelner Bewertender können durch die Gestaltung des Portals schon grundsätzlich nicht vermieden werden. Auch unsachlich motivierte Werturteile sind von der Meinungsäußerungsfreiheit erfasst, solange kein Wertungsexzess vorliegt.

Vorgehen gegen rechtswidrige Bewertungen

Liegt eine rechtswidrige Bewertung vor, empfiehlt sich immer ein Vorgehen nach dem Eskalationsmodell in drei Schritten

  1. Persönliche Kontaktaufnahme mit dem Bewerter sofern bekannt
  2. Anwaltliches Aufforderungsschreiben (an den Bewerter oder das Bewertungsportal falls der Bewerter nicht bekannt ist)
  3. Klage

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