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Arzthaftung: Schadenersatzanspruch nicht verjährt

Arzthaftung, Kunstfehler, Verjährung

Ein von Rechtsanwalt Dr. Öhlböck vertretener Patient klagte den ihn behandelt habenden Arzt unter Verweis auf einen Kunstfehler und machte Schadenersatz sowie Haftung für Spätfolgen und Dauerfolgen geltend. Der Arzt wandte ein, dass der Anspruch verjährt sei. Das Gericht folgte dem Patienten.

Klage im September 2012 nach Operation im August 2012

Der Patient hat sich im August 2012 einer von einem Facharzt durchgeführten HNO-Operation unterzogen, im Rahmen derer eine Expansionssphinkter-pharyngoplastik (ESP), eine beidseitige Tonsillektomie und eine Radiofrequenz -Thermotherapie der beiden unteren Nasenmuscheln mit einem Celon-Gerät vorgenommen wurden. Er argumentierte, dass der Eingriff kontraindiziert war und nicht lege artis erfolgt ist und Behandlungsfehler aufgetreten sehen. Der Eingriff habe zu einer deutlichen Verschlechterung der Ronchopathie, einer Störung der Ohrtrompetenfunktion sowie aufgrund der nicht nachvollziehbaren Entfernung der Uvula zu einer starken Vernarbung am Zungengrund geführt. Zudem habe der Zweitbeklagte nicht vollständig über die möglichen Folgen aufgeklärt. Er erhob daher im September 2016  Klage wegen Arzthaftung. Der Beklagte bestritt und wandte Verjährung ein. Das Gericht beschränkte die Verhandlung zunächst auf diesen Einwand und sprach darüber ab.

Anspruch nicht verjährt

Nach § 1489 ABGB beginnt der Lauf der dreijährigen Verjährungsfrist ab Kenntnis von Schaden und Schädiger, wobei der Geschädigte Kenntnis vom Kausalzusammenhang zwischen dem Schaden und einem bestimmten, dem Schädiger anzulastenden Verhalten haben muss (7 Ob 242/99k). Der Geschädigte muss in der Lage sein, das zur Begründung seines Schadenersatzanspruches erforderliche Sachvorbringen konkret zu erstatten. Es kommt darauf an, ob der Geschädigte die Voraussetzungen für eine erfolgsversprechende Anspruchsverfolgung ohne nennenswerte Mühe in Erfahrung bringen kann (6 Ob 273/98k). Eine Überspannung der Erkundigungspflicht des Geschädigten lehnt der OGH ab und vertritt die Auffassung, dass die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Klärung der Voraussetzungen einer erfolgsversprechenden Anspruchsverfolgung jedenfalls eine Überspannung der Erkundigungspflicht darstellt. In Zusammenschau mit den durch die Rechtsprechung herausgearbeiteten Kriterien betreffend die Kenntnis von Schaden und Schädiger und die Anforderungen die dabei an den Geschädigten bei der Ermittlung zu stellen sind, ist im gegenständlichen Fall nicht von einer Verjährung der Schadenersatzforderung des Klägers auszugehen (nicht rk).

Aus der Begründung

Die Verjährungsfrist begann jedenfalls nicht mit der Untersuchung am 14.11.2012 bei Dr. A und auch nicht mit der am 19.12.2012 durchgeführten Kontrollschlafendoskopie. Bei der Kontrolluntersuchung erfuhr der Kläger bloß, dass der gewünschte Behandlungserfolg nicht eingetreten ist. Auch die von Dr. A getätigte Aussage begründete beim Kläger kein fundiertes Wissen darüber, ob der Eingriff lege artis erfolgt ist, oder ob dem Zweitbeklagten dabei ein Kunstfehler unterlaufen ist. Bei Schäden durch einen ärztlichen Kunstfehler beginnt die Verjährungsfrist solange nicht zu laufen, solange die Unkenntnis andauert, dass es sich um einen Kunstfehler handelt. Von einem Kunstfehler konnte und musste der Kläger zu diesem Zeitpunkt aufgrund der ihm vorliegenden Informationen nicht ausgehen. Ausgehend davon, dass der Kläger am 03.12.2013 im Zuge seiner Untersuchung im Krankenhaus die Information erhielt, dass bei der Operation möglicherweise ein Fehler unterlaufen ist beziehungsweise in seinem Fall nicht hätte vorgenommen werden sollen, ist festzuhalten, dass wenn die Verjährungsfrist zu diesem Zeitpunkt eingesetzt hätte, der Anspruch bei Klagserhebung am 30.09.2016 noch nicht verjährt gewesen wäre. Weiters hatte der Kläger zu diesem Zeitpunkt bloß die mündliche Aussage einer Oberärztin, woraus nicht abgeleitet werden kann, dass der Kläger dadurch über ausreichende Informationen zu einer erfolgreichen Anspruchsverfolgung verfügte. Die Kenntnis setzt in diesem Fall, wo es um die Beurteilung eines komplexen ärztlichen Eingriffs und dessen Folgen geht, Fachwissen voraus über das der Geschädigte nicht verfügte. Da der OGH die Einholung eines Gutachtens von einem Sachverständigen nicht verlangt, kann es dem Kläger nicht zur Last fallen, dass er dieses erst 2015 eingeholt hat.

Rechtsanwalt Arzthaftung

Rechtsanwalt Dr. Johannes Öhlböck LL.M. berät und vertritt im Zusammenhang mit Arzthaftung und Kunstfehler.

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